Komplexes Thema: Migration bei Verpackungen

Welche Rolle spielen Druckfarben?

Keine Frage: Verbraucher sind Verpackungsliebhaber. 95 % aller Lebensmittel in Westeuropa finden sich in Behältnissen wieder: zum Schutz, zur besseren Logistik, zur Verkaufsförderung. Dabei ist vor allem der Anteil an Direktverpackungen (ohne Innenbeutel) gestiegen. Aus Umweltgründen sind vorausschauende Sicherheitsmaßnahmen nötig, da die Direktverpackung keine Barriere, vor Migration in das Lebensmittel besitzt.

Was ist Migration?

(lateinisch migratio: (Aus-)Wanderung, Umzug) Stoffe gehen physikalisch von einer bedruckten Verpackung in das verpackte Lebensmittel über. Der Stoffübergang kann auf verschiedene Art und Weise erfolgen.

Problem der Migration:

Teilweise als gesundheitsbedenklich eingestufte Stoffe wie Mineralöle, UV-Photoinitiatoren und nicht bewertete Substanzen gelangen von der Verpackung in das Lebensmittel und letztlich in menschliche Organe – in geringen Mengen, aber unkontrolliert.

Vorsichtsmaßnahmen zur Vorbeugung der Migration:

  • Auswahl eines geeigneten Bedruckstoffs.
  • Die Farbzusammensetzung sollte schwermetallhaltige Trockner ebenso wenig enthalten wie spezifische Öle und Harze, die Spaltprodukte bilden. Ein starkes Augenmerk liegt auf der Rohstoffauswahl und Ausschlusspolitik.
  • Druckproduktion: Neben der sorgfältigen Maschinenreinigung mit geeigneten Mitteln sollte während der Produktion die Bogenauslage bzgl. Druck und Temperatur beobachtet werden (Abklatschmigration).

Einflussfaktoren Migration

Materialien

  • Substrat
  • Druckfarben
  • Lacke
  • Klebstoffe

Druckmaschine

  • Sauberkeit/Hygiene
  • Zustand Druckmaschine
  • Produktionsgeschwindigkeit bei UV-Farben

Sonstige

  • Gestaltung
  • Rückverfolgungsprozess aller Materialien
  • Logistik
  • Lagerung

Arten der Migration im Überblick

Abklatschmigration

  • Bei Kontakt zwischen bedruckten und unbedruckten Trägermaterialien kann es zu einem unerwünschten Austausch von Farbbestandteilen kommen. → Übergang von migrierenden Stoffen von der bedruckten Seite auf die gegenüberliegende Seite.
  • Meist handelt es sich bei der unbedruckten Seite um die Lebensmittelkontaktseite
  • Entstehung: Rollenwickel oder Stapel in direktem oder engem Kontakt

Stofftransfer über Gasphasenmigration

  • Migranten können auch aus einem Karton mittels Gasphase in die Verpackung migrieren und auf ein Lebensmittel übergehen.
  • Dies kann beispielsweise bei Migranten wie unerwünschten Mineralölen oder anderen Stoffen geschehen, die möglicherweise nicht allgemein als so flüchtig bekannt sind.

Migration durch den Bedruckstoff

  • Druckfarbenbestandteile wandern direkt durch den Bedruckstoff hindurch.
  • Besonders hohes Migrationspotenzial haben lösliche Farbbestandteile.
  • Herausfordernd sind stark fett- und ölhaltige Füllgüter.

Gesetzliche Grundlagen

Auch wenn rechtliche Fragen zur Migration offen sind, müssen gewisse EU- und länderspezifische Richtlinien eingehalten werden, die potenzieller Schadstoffmigration bei Verpackungen entgegenwirken.

Die Rahmenverordnung EG 1935/2004 regelt:

  • Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind mit dem Lebensmittel in Kontakt zu kommen.
  • Hersteller (Inverkehrbringer) der fertigen Verpackung trägt die Verantwortung, dass die Materialien und Gegenstände dem Artikel 3 der Rahmenverordnung entsprechen.

Die Schweizer Bedarfsgegenständeverordnung (Stand 01.05.2017) regelt:

  • einen Globalmigrationswert von 60 ppm [60 mg/(kg Lebensmittel)]
  • 10 ppb [µg/(kg Lebensmittel)] im Fall nicht bewerteter Substanzen
  • Druckfarben müssen nach GMP-Richtlinien hergestellt werden.

PIM 10/2011 regelt:

  • Materialien und Gegenstände aus Kunststoff (basierend auf einer Positivliste), die dazu bestimmt sind mit dem Lebensmittel in Kontakt zu kommen.

GMP EG 2023/2006 regelt:

  • die gute Herstellungspraxis für alle Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind mit dem Lebensmittel in Kontakt zu kommen.
  • dass Qualitätssicherungs- und Kontrollsysteme festgelegt und angewandt werden.

MOSH / MOAH – Ungeliebte Mineralöle

Alle Jahre wieder – kommt mit den Adventskalendern die Diskussion um Mineralöle in Lebensmitteln. Die gehören dort sicherlich nicht hin und sind gesundheitsgefährdend. Die Migrationsunbedenkliche Druckproduktion gewinnt entsprechend an Bedeutung.

Nahezu alle sind sich einig: Es gilt gesättigte Mineralölkohlenwasserstoffe (MOSH) und oft alkylierte aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe (MOAH) in Lebensmitteln und deren Verpackungen zu vermeiden. Speziell letztere sind verdächtig krebserregend zu sein. Das Grundproblem wird dabei vor allem in der Herstellung von Verpackungskartons aus recyceltem Altpapier gesehen, das Rückstände von Zeitungsdruckfarben auf Mineralölbasis enthält. Doch das Problem ist vielfältiger. Mit der Einstellung von Produktionsketten auf migrationsunbedenkliche Farbsysteme wie z. B. die BoFood Serie von Epple kann der Einflussfaktor Verpackung bei Mineralölrückständen in Lebensmitteln weiter minimiert werden. Unvermindert gilt zudem, dass sich Ursprung und das Entstehen von Mineralölrückständen meist nicht exakt definieren lassen. Weitere potenzielle Migrationsquellen existieren: durch Verpackungsmaterialien, Schmieröle aus Erntemaschinen und Produktionsanlagen, Kontamination während des Warentransports (z. B. Jutesäcke) oder Abgase.

Diese Unsicherheit in den Prozessen ist sicherlich auch ein Grund für die zurückhaltende Rechtsprechung. Aktuell liegen weder spezifische rechtliche Regelungen noch Höchstmengen für Mineralöl-Rückstände in Lebensmitteln vor. Der im Februar 2017 veröffentlichte 4. Entwurf der 22. Verordnung zur Änderung der Bedarfsgegenständeverordnung („Mineralölverordnung“) erwartet weiter die Notifizierung durch die Europäische Kommission. Ein Grund mehr für Druckereien, sich rechtzeitig auf die Zukunft vorzubereiten und die vielfältigen Möglichkeiten migrationsunbedenklicher Farbsysteme zu studieren.